Vulvakarzinom (Vulvakrebs)


Das Vulvakarzinom (Vulvakrebs) ist eine seltene, bösartige Tumorerkrankung der äußeren weiblichen Geschlechtsteile, die am häufigsten bei Frauen im Alter zwischen 60 und 74 Jahren auftritt. Pro Jahr erkranken in Deutschland 1.600 Frauen neu an einem Vulvakarzinom. Behandelt wird ein Vulvakarzinom in der Regel durch eine operative Entfernung des Tumors.

Nach einer solchen Operation liegt die 5-Jahresüberlebensrate – abhängig von Tumorgröße und Lymphknotenbefall – zwischen 97,9 und 29 Prozent.

Häufigkeit von Vulvakarzinomen

Das Vulvakarzinom stellt etwa 4 bis 5 Prozent aller Krebserkrankungen des weiblichen Genitals dar. In Deutschland treten etwa 1.600 neue Fälle von Vulvakarzinomen pro Jahr auf (RKI, 2004). In den USA werden 3.900 Neuerkrankungen und 920 Todesfälle pro Jahr berichtet. Der Altersgipfel des Vulvakarzinoms liegt zwischen dem 60. und 74. Lebensjahr, wobei die Inzidenz (Anzahl der Neuerkrankungen) mit zunehmendem Alter ansteigt und über 50 Prozent der Patientinnen über 70 Jahre alt sind.

In den letzten Jahren konnte ein Ansteigen des Auftretens von Vulvakarzinomen beobachtet werden. Der Anteil der jüngeren Patientinnen hat sich dabei, bedingt durch die Vergesellschaftung mit dem Humanen Papilloma Virus (HPV), nahezu vervierfacht: Etwa 70 bis 90 Prozent der vulvären intraepithelialen Neoplasie (VIN) (=Vorstufe des Vulvakarzinoms) und etwa 40 bis 60 Prozent der Vulvakarzinome sind HPV-assoziiert.

Es ist davon auszugehen, dass die HPV-assoziierten Vulvakarzinome der jüngeren Frau durch die Einführung und die zunehmende Durchführung der Impfung gegen HPV-Typ 16 und 18 um die Hälfte reduziert werden könnten. Dass sich damit, in Kenntnis der HPV-Unabhängigkeit des Vulvakarzinoms der älteren Frau, die Inzidenz des Vulvakarzinoms langfristig reduzieren wird, ist allerdings unwahrscheinlich.

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Ursachen für Vulvakarzinome

Neben einer VIN und anderen Faktoren kommt vor allem der Infektion mit humanen Papillomaviren (HPV-Typ 16, 18, 33 und 39) eine zentrale Bedeutung zu. Der Nachweis des HPV-Typ 18 ist bei Vulvakarzinomen am häufigsten. Man kann davon ausgehen, dass zwei unterschiedliche Arten von Vulvakarzinomen vorliegen:

  • HPV-positives Vulvakarzinom der jüngeren Frau (im Mittel 5. Lebensdekade): tritt häufig mehrherdig und in Kombination mit einem zweiten Karzinom des Gebärmutterhalses, der Scheide oder einem Karzinom im Bereich des Anus auf
  • Vulvakarzinom der älteren Frau (7. bis 8. Lebensdekade) ohne HPV-Nachweis

Häufig ist mit dem Vulvakarzinom der älteren Frau auch ein Lichen sclerosus, einer chronischen Bindegewebserkrankung, nachweisbar. Deshalb wird angenommen, dass dieser einen Krebsvorläufer darstellt. In der Literatur finden sich Erklärungsversuche, die die Ursache für Vulvakarzinome in genetischen Veränderungen sehen. Einen zuverlässigen Beweis dafür gibt es jedoch bislang nicht. Weitere Studien sollten daher zu dieser Fragestellung durchgeführt werden.

Diagnostik und Symptome bei Vulvakrebs

Eine verspätete Diagnosestellung ist bei Vulvakrebs nichts Ungewöhnliches. Ursächlich dafür ist die relative Symptomarmut der Erkrankung und die vernachlässigte Nachsorge der meist älteren Patientinnen.

Die Symptome bei einem Vulvakarzinom sind meist uncharakteristisch und zeigen sich als

  • Jucken
  • Brennen
  • Wundsein
  • Schmerzen beim Geschlechtsverkehr

Jones und Joura konnten zeigen, dass bei 88 Prozent der Patientinnen die Symptome vor Diagnosestellung bereits länger als 6 Monate und bei 28 Prozent sogar länger als 5 Jahre bestanden. Allerdings hatte der behandelnde Arzt einen ebenfalls nicht zu vernachlässigenden Einfluss auf die Verschleppung der Diagnose des Vulvakarzinoms, da 31 Prozent der Patientinnen vor Diagnosestellung drei und mehr Arztbesuche vorzuweisen hatten. In nur einem Viertel der Fälle wurde eine Gewebeprobe durchgeführt.

Gynäkologische Untersuchung

Die häufigste Lokalisation des Vulvakarzinoms sind

  • die großen und kleinen Schamlippen (80 Prozent)
  • Klitoris (10 Prozent)
  • hinterer Scheideneingang (10 Prozent)

Das Vulvakarzinom kommt sowohl ein- als auch mehrherdig vor. Meist treten die Tumoren einseitig auf, ein beidseitiges Auftreten ist dennoch möglich. Aus diesem Grund ist immer die gegenüberliegende Seite zu prüfen und auf das Vorkommen einer Veränderung zu überprüfen.

Zu Beginn der Diagnostik eines Vulvakarzinoms steht zunächst die gynäkologische Inspektion. Sie wird notwendigerweise durch eine Kolporespektive Vulvoskopie (Betrachtung des Muttermundes und der Vulva mittels Vergrößerungsoptik) unterstützt. Achten sollte man auf Veränderungen der Farbe und des Oberflächenreliefs der Vulvahaut.

Tumorverdächtig ist, wenn die Haut sich folgendermaßen verändert hat:

  • erhabene Stellen
  • Verdickungen
  • weißliche, bräunliche, rötliche Stellen
  • offene Bereiche

Die Läsionen können ein glattes Wachstum zeigen und das umgebende Gewebe infiltrieren oder sich blumenkohlartig ausbreiten.

Falls Verdacht auf ein Vulvakarzinom besteht, ist eine feingewebliche Abklärung mittels Stanzbiopsie (Gewebeprobe mit einer Hohlnadel) einer Abklärung mittels Knipsbiopsie (Gewebeprobe mittels einer kleinen Zange) vorzuziehen, da die Knipsbiopsie zumeist die tiefen Schichten nicht erfasst. Bei mehrherdigen Befunden sind unter Umständen mehrfache Biopsien notwendig, um alle Veränderungen zu erfassen.

Neben der Inspektion gehört die sorgfältige Tastuntersuchung zur Untersuchung des äußeren Genitales. Aufgrund der gemeinsamen Entstehungsgeschichte (HPV-Infektion) sollten Scheide und Gebärmutterhals mit untersucht werden, des weiteren Anus und Rektum, die Beckenwände sowie die Leisten und Schenkelgruben.

Das Betupfen mit 2-prozentiger Essigsäure kann das Ausmaß der Veränderung deutlich machen, unterscheidet jedoch ebenfalls nicht zwischen bösartig und gutartig.

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Zytologie bei Vulvakrebs

Die Zytologie (Untersuchung von Zellabstrichen) weist eine Sensitivität von 95 Prozent und eine Spezifität von 64 Prozent auf. Es gibt bis dato keine zwingende Indikation für das Durchführen einer zytologischen Untersuchung bei Vulvakarzinomen. Wesentlich effektiver ist das Durchführen einer Stanzbiopsie unter örtlicher Betäubung.

Grundprinzipien der Diagnostik bei Vulvakarzinomen

Die Ausbreitung des Vulvakarzinoms erfolgt kontinuierlich auf Scheide, Harnröhre, Damm und Anus sowie diskontinuierlich in die oberflächlichen und tiefen Leistenlymphknoten.

Ein direkter Befall der Beckenlymphknoten tritt bei Vulvakrebs nicht auf und ist damit für die Therapieplanung nicht zu berücksichtigen. Eine Lymphknotenmetastasierung in die Leistenlymphknoten steht in direktem Zusammenhang mit Stadium, Eindringtiefe und Tumordurchmesser des Vulvakarzinoms.

Eine Fernmetastasierung in Lunge, Leber und Knochen findet sich selten. Die relevanten Tumormarker haben eine geringe Sensitivität und Spezifität, so dass sie keine Bedeutung in der Diagnostik von Vulvakarzinomen haben.

Bildgebende Diagnostik bei Vulvakrebs

Für das frühe Vulvakarzinom ist bis zum Nachweis von Metastasen keine Bildgebung (Computertomographie (CT) oder Magnetresonanztomographie (MRT)) notwendig. Bei Befall von Scheide, Harnröhre und Enddarm ist ein Ultraschall sowie eine Blasenspiegelung und Enddarmspiegelung erforderlich.

Eine routinemäßige Indikation für eine CT oder MRT sowohl des kleinen Beckens wie auch der Bauchhöhle besteht bei Vulvakarzinomen nicht. In fortgeschrittenen Fällen können die Schnittbildverfahren jedoch Hinweise auf Lymphknotenmetastasen oder Organbeteiligungen geben, die schließlich richtungweisend für die Therapieplanung sein können.

Behandlung des Vulvakarzinoms

Operative Therapie: En-bloc-Entfernung oder Dreifach-Schnittführung (Triple-Inzision)

Für die Planung der Operation eines Vulvakarzinoms sollten folgende Parameter berücksichtigt werden:

  • Tumorausdehnung
  • Alter
  • Nebenerkrankungen
  • Erhaltung der Sexualfunktion

Die operative Therapie sollte den entsprechenden Umständen angepasst werden.

Die früher gebräuchliche radikale En-bloc-Entfernung kommt eigentlich nicht mehr zur Anwendung. Sie umfasste die Entfernung der Leistenlymphknoten und die beidseitige, schmetterlingsförmige Entfernung leistenwärts reichender, ausgedehnter Hautlappen. Ausnahmen sind Tumoren, die in der Nähe der Hautbrücken oder weit vorne sitzen.

Diese Methode wurde durch die weniger radikale Triple-Inzision ersetzt. Bei dieser Technik wird das Vulvakarzinom vollständig entfernt (durch Entfernung der kompletten Vulva oder radikaler lokaler Entfernung des Tumors). Die Lymphknoten werden dabei von separaten Leistenzugängen aus entfernt, ohne dass eine zusätzliche Entfernung von Haut vorgenommen wird. Auf diese Weise reduzieren sich Komplikationen bei der Wundheilung. Lymphödeme traten ebenfalls seltener auf.

Beide Therapien weisen eine vergleichbare Rate an Rezidiven (Wiederkehren der Erkrankung) in den Hautbrücken und der Sterblichkeit auf. Das einzig bekannte Risiko der Triple-Inzision sind bereits mit bloßem Auge zu identifizierende Leistenlymphknotenmetastasen. Doch auch dann wird die Triple-Inzision empfohlen. In der Literatur findet sich eine Brückenrezidivrate von 1 bis 7 Prozent. Sie steht im Verhältnis mit dem Lymphknotenstatus: 1 Prozent bei negativen und 5 Prozent bei befallenen Leistenlymphknoten. Dies impliziert die Notwendigkeit einer postoperativen Bestrahlungstherapie, sollten die inguinalen Lymphknoten vom Vulvakarzinom befallen sein.

Therapie bei frühzeitig erkanntem Vulvakrebs

Bei einem kleinen Vulvakarzinom (< 2 Zentimeter) ist die vollständige Entfernung des Tumors mit einem Abstand von 1 Zentimeter im Gesunden ausreichend. Voraussetzung ist, dass es sich um eine gut umschriebene Veränderung handelt. Bei einem Abstand von 8 Millimetern kehrt der Krebs schon häufiger wieder. In der Tiefe sollte der Tumor bis auf den Muskel ausgeschnitten werden.

Befindet sich das Vulvakarzinom in Anusnähe, ist auf den Erhalt des Schließmuskels zu achten. Die komplette Entfernung des Vulvakarzinoms sollte jedoch das erklärte Ziel der operativen Therapie sein. Zu vermeiden ist das Verbleiben eines Tumorrests mit nachfolgender Radiotherapie.

Bei einer Lokalisation des Vulvakarzinoms nahe der Harnröhrenmündung ist die Mitentfernung der Harnröhrenmündung ohne Einschränkung der Blasenkontinenz möglich. Allerdings sollten nicht mehr als die distalen zwei Zentimeter der Harnröhre entfernt werden. Bei derartigen Operationen kann es hilfreich sein, lokale Hautlappen zur Bedeckung des operierten Areals zu verwenden. Solche Lappen genügen in der Regel auch zur Defektdeckung größerer Areale. Im Allgemeinen ist das Vernähen der Wundränder jedoch ausreichend.

Auch größere Vulvakarzinome können im Sinne einer radikalen lokalen Entfernung des Tumors noch weit im Gesunden ausgeschnitten werden.

Stadium I bei Vulvakrebs
Frühes Stadium eines Vulvakarzinoms © Cancer Research UK © Cancer Research UK

Vorgehen beim fortgeschrittenen Vulvakarzinom

In fortgeschritteneren Fällen sollte eine Entfernung der Vulva (Vulvektomie) mit beidseitiger oberflächlicher und tiefer Entfernung der Leistenlymphknoten durchgeführt werden. Ein Sicherheitsabstand von 1 Zentimeter ist dabei einzuhalten. Ist eine komplette Tumorentfernung mit Kontinenzerhaltung primär nicht möglich, sollte der Arzt in Erwägung ziehen, zunächst eine primäre kombinierte Bestrahlung/Chemotherapie (Radio-Chemotherapie) durchzuführen. Es sollte allerdings vermieden werden, einen Tumorrest zu belassen.

Zweites Stadium ohne Lymphknotenbefall
Zweites Stadium ohne Lymphknotenbefall © Cancer Research UK © Cancer Research UK

Wenn es aufgrund der größeren Defekte nach radikaler Entfernung des Vulvakarzinoms nicht möglich ist, die Wundränder wieder zu verschließen, ist es besser, eine Defektdeckung mittels Haut-Muskellappen durchzuführen, um einem spannungsbedingten Auseinanderweichen der Wundränder vorzubeugen.

Bei Vulvakarzinomen mit Einwachsen in die oberen zwei Drittel von Harnröhre oder Scheide, der Blasen- oder Enddarmschleimhaut oder mit Tumorfixierung an den Beckenknochen, ist die Operation je nach Ausdehnung durchzuführen oder eine primäre Radiochemotherapie vorzunehmen. Wurden bei fortgeschrittenen Vulvakarzinomen früher regelhaft radikale operative Verfahren eingesetzt, wird heute zunehmend die Radiochemotherapie auch vor einer Operation eingesetzt. Der Patientin kann somit die Anlage eines künstlichen Darmausgangs erspart und die Stuhlkontinenz erhalten werden.

Darüber hinaus wird die hohe Rate an Nebenwirkungen und die damit verbundene operationsbedingte Sterblichkeit ausgedehnter Operationen reduziert. In einzelnen Fällen kann die Bestrahlung (Radiotherapie) auch im Sinne einer lokalen Bestrahlung nur im Tumorareal (Brachytherapie) durchgeführt werden. Als Therapie der Wahl ist die Radiochemotherapie mit oder ohne Operation anzusehen.

Regionale Lymphknotenentfernung

Aufgrund von nicht zu unterschätzenden Nebenwirkungen sollte die regionale Lymphknotenentfernung gut abgewogen werden und abhängig von Tumorgröße und Eindringtiefe des Tumors indiziert werden. Bei einer Eindringtiefe von weniger als 1 Millimeter finden sich keine Lymphknotenmetastasen. Die aktuelle Datenlage spricht dafür, eine Entfernung der Leistenlymphknoten ab einer Infiltrationstiefe von mehr als 1 Millimeter durchzuführen. Dabei sollte die Entfernung der Leistenlymphknoten einer primären Radiotherapie wegen der erhöhten Nebenwirkungen dieser Therapie vorgezogen werden.

Die Lymphknotenentfernung sollte sowohl die oberflächlichen als auch die tiefen Lymphknoten betreffen. Eine nur oberflächlich durchgeführte Lymphknotenentfernung würde eine zu hohe Rezidivrate von 6 % nach sich ziehen. Bei streng seitlichem Sitz des Vulvakarzinoms ist eine gleichseitige Entfernung der Leistenlymphknoten ausreichend, da das Risiko einer Lymphknotenmetastasierung der Gegenseite unter 1 Prozent liegt.

Im Fall von Lymphknotenmetastasen ist eine Operation der gegenüberliegenden Seite indiziert. Befindet sich das Vulvakarzinom in der Mittellinie so ist die beidseitige Entfernung der Leistenlymphknoten vorzunehmen. Bei nicht befallenen Lymphknoten oder dem Nachweis von nur zwei kleinherdig befallenen Lymphknoten ist keine weitere Therapie erforderlich.

Liegt ein metastatischer Befall von zwei Lymphknoten, einer Metastasengröße von mehr als 10 Millimetern, einem Kapseldurchbruch oder einem Einwachsen in das umliegende Gewebe vor, ist eine postoperative Radiotherapie der Leisten und des kleinen Beckens zu erwägen.

Sowohl ein Kapseldurchbruch als auch die Metastasengröße verschlechtern die Prognose deutlich. So reduziert sich die 5-Jahres-Überlebensrate von 85,7 Prozent auf 25 Prozent bei einem Kapseldurchbruch. Bei einer Metastasengröße von mehr als 5 Millimetern liegt die 5-Jahres-Überlebensrate bei 91 Prozent. Bei Patientinnen mit einer Metastasengröße von mehr als 15 Millimetern reduziert sich die Rate auf 20,6 Prozent.

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Entfernung der Beckenlymphknoten

Bis dato ist die optimale Therapie der Beckenlymphknoten bei Befall der Leistenlymphknoten ungeklärt. Die GOG-Studie von Homesley et al. konnte einen Überlebensvorteil (75 Prozent vs. 56 Prozent) für die Patientinnen zeigen, die zusätzlich zur Leisten- und Beckenlymphknotenentfernung auch eine Radiotherapie dieser Regionen erhielten. Eine Studie neueren Datums konnte diese Ergebnisse bestätigen. Patientinnen nach radikaler Entfernung der kompletten Vulva mit Entfernung der Leistenlymphknoten konnten durch die zusätzliche Radiotherapie ihre krebsspezifische Sterblichkeit nach 6 Jahren von 29 Prozent auf 51 Prozent signifikant verbessern.

Man kann daher schlussfolgern, dass eine Radiotherapie das Auftreten von Beckenrezidiven nicht verhindern kann, Leistenrezidive jedoch weniger auftreten. Ein Überlebensvorteil zeigt sich allerdings nur bei Patientinnen mit klinisch eindeutigen Metastasen oder mit mehr als einem positiven Leistenlymphknoten.

Die Entfernung der Beckenlymphknoten ist bei operablen Patientinnen dann zu erwägen, wenn

  • große Leistenlymphknoten zu tasten sind
  • 2 oder mehr Leistenlymphknoten befallen sind
  • ein Kapseldurchbruch in einem der Lymphknoten nachgewiesen wird

Therapie großer und verbackener Leistenlymphknoten

Durch eine Radiotherapie der Leiste kann die Rezidivrate deutlich gesenkt werden. Daher wird die alleinige Operation als unzureichend angesehen. Angesichts der Nebenwirkungen einer Entfernung der Leistenlymphknoten, die durch eine Radiotherapie noch ausgeprägter werden würde, wird empfohlen, ein operatives Entfernen der großen Lymphknotenmetastasen – Becken- und Leistenlymphknoten – durchzuführen, ohne überhaupt eine komplette Lymphknotenentfernung anzustreben. Im Anschluss sollte eine Radiochemotherapie vorgenommen werden.

Vulvakrebs mit Leistenlymphknotenbefall
Vulvakrebs mit Leistenlymphknotenbefall

Wächter-Lymphknoten-Entfernung (Sentinel-Node-Biopsie)

Der Wächter-Lymphknoten (Sentinel Node) ist der Lymphknoten, der von abgeschwemmten Tumorzellen am schnellsten erreicht daher in der Regel auch zuerst von Metastasen betroffen ist. Bei der Sentinel-Node-Biopsie (SNB) wird dieser Wächter-Lymphknoten entfernt und untersucht. Weist er keine Anzeichen für einen Tumorbefall auf, können die Ärzte davon ausgehen, dass auch die nachgeschalteten Lymphknoten tumorfrei sind.

Es gibt gute Daten zu dieser Technik, jedoch wurde der Einsatz der Sentinel-Node-Biopsie (SNB) bisher nur in Studien empfohlen. In einer aktuellen Arbeit zu einer Multizenter-Studie unter Führung der niederländischen Arbeitsgruppe wird der Einsatz der SNB als sicheres Verfahren gefordert. In dieser Arbeit konnte nach einer Nachverfolgung von 2 Jahren, bei Patientinnen mit einherdigem Tumor, eine Leistenrezidivrate von 2,3 Prozent sowie eine 3-Jahres-Überlebensrate von 97 Prozent festgestellt werden. Die Ergebnisse der bisher größten Studie, der GOG 173, konnten an 411 Patientinnen eine Sensitivität von 89,9 Prozent und einen negativen Vorhersagewert von 95,6 Prozent und eine Falsch-Negativrate von 4,4 Prozent zeigen. In diese Auswertung gingen nur die 129 Patientinnen mit positiven Lymphknoten ein.

Eine Beobachtungsstudie aus den Niederlanden, die GROningen INternational Study on Sentinel nodes in Vulvar cancer (GROINSS-V II), untersucht seit 2006 die Sicherheit der SNB bei Patientinnen mit negativem Sentinel-Node sowie den Ersatz der Leistenlymphknotenentfernung durch eine Radiotherapie nach positivem Sentinel-Node. Das Ziel ist, die therapiebedingten Nebenwirkungen der Patientinnen zu reduzieren.

Rezidiv-Operationen bei Vulvakrebs

Lokale Rezidive können operativ entfernt werden. Bei größeren Rezidiven sollte je nach Tumorausdehnung, Alter und Nebenerkrankungen der Patientin individuell entschieden werden. Folgende Maßnahmen kommen in Frage: Operation, bei Befall der Nachbarorgane, Entfernung dieser Organe, Radiotherapie oder Radiochemotherapie. Lappenplastiken zur Defektdeckung erweitern hier die operativen Möglichkeiten.

Radiotherapie beim frühen Vulvakarzinom

Die Durchführung einer Radiotherapie ist bei operativ behandelten Vulvakarzinomen kein Standard. Daher ist es umso wichtiger, genau die Patientinnen zu identifizieren, die vom Einsatz einer Radiotherapie hinsichtlich ihres Rezidivriskos profitieren. Die Studie von Chan et al. untersuchte 90 Patientinnen mit Vulvakrebs in unterschiedlichen Stadien nach komplettem Entfernen der Vulva. Die Lokalrezidivrate war, unabhängig vom Tumorstadium, mit der Breite des freien Geweberandes assoziiert. Bei einem Rand von mehr als 8 Millimetern wurde kein einziges, bei einem Rand von weniger als 8 Millimetern bei 23/53 Patientinnen ein Lokalrezidiv nachgewiesen.

Der Nachweis von mehr als 2 positiven Lymphknoten oder einer Lymphangiosis carcinomatosa (Befall der Lymphgefäße) war mit einem schlechteren rezidivfreien Überleben vergesellschaftet. Eine weitere Studie konnte dies signifikant bestätigen. Man könnte daraus schlussfolgern, dass eine Radiotherapie bei knappen Absetzungsrändern empfehlenswert wäre. Einer Nachoperation ist, wenn möglich, allerdings der Vorzug zu geben.

Radiochemotherapie beim frühen Vulvakarzinom

Die Forderung nach einer Chemotherapie bei Patientinnen mit hohem Rezidivrisiko ist hoch. Junge Patientinnen mit positiven Lymphknoten oder Patientinnen mit knappen Absetzungsrändern haben ein hohes Rezidivrisiko. Allerdings liegen bis dato keine Daten vor, die für den Einsatz einer Chemotherapie beim frühen Vulvakarzinom sprechen.

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Radiochemotherapie beim fortgeschrittenen Vulvakarzinom

Die Behandlung des fortgeschrittenen Vulvakarzinoms ist oft nur sehr unbefriedigend. Kontrollierte Studien, die eine Radiochemotherapie mit einer Radiotherapie vergleichen, existieren nicht. Es existiert nur eine sehr limitierte Datenlage zu Studien mit kleinen Fallzahlen und inkonsistenten Therapieregimen. Eine 2007 publizierte Cochrane Analyse befasste sich vornehmlich mit der Radiochemotherapie vor einer Operation (neoadjuvant). Einige der in dieser Studie ausgewerteten Arbeiten zeigten in vielen Fälle ein therapiebedingtes komplettes Verschwinden des Vulvakarzinoms (Komplettremission). In einer Studie lag die Rate an Komplettremissionen nach einer Radiochemotherapie bei 48 Prozent. Eine andere Studie berichtete eine Komplettremission bei 9/14 Patientinnen. Daher wird zurzeit die Radiochemotherapie der alleinigen Radiotherapie vorgezogen.

Schlussfolgerung zu den Behandlungsmöglichkeiten bei Vulvakrebs

Die moderne Therapie des Vulvakarzinoms ist weniger radikal und gründet sich vielfach auf individuelle Behandlungskonzepte. Obligatorisch ist die Einhaltung eines freien Absetzungsrandes von 1 Zentimeter. Bei frühen Vulvakarzinomen ist sicherlich die lokale, radikale Tumorentfernung Operation der Wahl. Bei den fortgeschrittenen Fällen sollte eine radikale Entfernung der Vulva über Triple-Inzision durchführt werden. Auch die Lymphknotenentfernung wird nicht mehr generell praktiziert. Vulvakarzinome mit einer Eindringtiefe von 1 oder weniger Zentimetern können ohne Lymphknotenentfernung behandelt werden.

Bei seitlichem Sitz eines Vulvakarzinoms mit einer Größe von mehr als 2 Zentimetern ist die Indikation für eine Lymphknotenentfernung der Gegenseite erst bei gleichseitigen befallenen Lymphknoten zu stellen. Bei Fehlen von suspekten Leistenlymphknoten ist die Sentinel-Node-Biopsie eine vielversprechende Technik, allerdings ist sie noch nicht völlig etabliert. Sie kann dabei helfen, die Patientinnen zu identifizieren, die ein geringes Risiko für eine Infiltration der Leistenlymphknoten haben.

In fortgeschrittenen Stadien von Vulvakarzinomen ist die Radiochemotherapie Behandlungskonzept der ersten Wahl.

Heilungschancen bei Vulvakrebs

Wie bei anderen Karzinomen so ist auch beim Vulvakarzinom das Tumorstadium der stärkste Prognosefaktor. Lymphknotenmetastasen korrelieren direkt mit der Flächenausdehnung und Eindringtiefe des Tumors. In Abhängigkeit vom Stadium betragen die 5-Jahres-Überlebensraten in einer älteren Literaturauswertung

  • 90,4 Prozent für das Stadium I
  • 77,1 Prozent für das Stadium II
  • 51,3 Prozent im Stadium III
  • 18,0 Prozent im Stadium IV

Eine aktuelle Auswertung der GOG 36 Studie zeigt eine 5-Jahres-Überlebensrate von 97,9 Prozent für Tumoren von einer Größe von 2 oder mehr Zentimetern und freien Lymphknoten. In dieser Studie wurden die Patientinnen in 4 Gruppen eingeteilt, basierend auf Tumorgröße und Lymphknotenbefall. Bezüglich der regionären Lymphknotenmetastasierung liegt die 5-Jahresüberlebensrate bei 91,3 Prozent ohne Lymphknotenbefall, wohingegen eine regionäre Lymphknotenmetastasierung die 5-Jahres-Überlebensrate auf 52,4 Prozent reduziert. Auch das Alter spielt eine nicht unerhebliche Rolle für die Heilungschancen bei Vulvakarzinomen. So liegt die 5-Jahres-Überlebensrate bei Patientinnen unter 70 Jahren bei 54,7 Prozent verglichen mit einer Rate von 30,5 Prozent bei den über 70-Jährigen.

Autor:
Priv.-Doz. Dr. med. Marc Thill